OLG Hamm v. 20.01.2016 – 2 WF 199/15 (IWW 146718):

Kindesunterhalt – Außergerichtliche Aufforderung zur Titulierung

Die Verfahrensbeteiligten sind voneinander getrennt lebende Eheleute. Aus der Ehe sind zwei minderjährige Kinder hervorgegangen. Außergerichtlich hatte die Antragstellerin (Kindesmutter) den Antragsgegner (Kindesvater) aufgefordert, Auskunft über sein Einkommen und Vermögen zu erteilen. Nachdem dies geschehen war, berechnete die anwaltlich vertretene Antragstellerin sowohl Trennungsunterhalt, als auch Kindesunterhalt. Den Kindesunterhalt bezifferte die Antragstellerin mit einem Betrag von monatlich 225,00 € je Kind. Sie forderte den Antragsgegner zur Zahlung auf, sowie dazu, eine vollstreckbare Urkunde über den Kindesunterhalt zu übersenden. Sie wies dabei nicht explizit darauf hin, dass bezüglich des Kindesunterhalts die Möglichkeit besteht, einen kostenlosen Titel beim Jugendamt erstellen zu lassen.

Der Antragsgegner zahlte die außergerichtlich angeforderten Unterhaltsbeträge. Dennoch eröffnete die Antragstellerin ein gerichtliches Verfahren betreffend den Kindesunterhalt, für welches sie auch Verfahrenskostenhilfe bewilligt bekam.

Kosten des Verfahrens wurden zunächst der Antragstellerin auferlegt

Das Amtsgericht – Familiengericht – verpflichtete den Antragsgegner (selbstverständlich) zur Zahlung des geltend gemachten Kindesunterhaltes, erlegte der Antragstellerin jedoch die Kosten des Verfahrens auf. Das Amtsgericht war der Auffassung, dass der Antragsgegner keinen Anlass zur Antragserhebung gegeben und sofort anerkannt habe (§ 93 ZPO).

Der Antragsgegner war nicht anwaltlich vertreten. Es sei ihm als juristischen Laien daher nicht hinreichend erkennbar gewesen, dass er trotz offensichtlicher Zahlungsbereitschaft verpflichtet ist, einen Unterhaltstitel über den Kindesunterhalt anfertigen zu lassen (Titulierungsinteresse auch bei Zahlung des Unterhalts). Die anwaltlich vertretene Antragstellerin hätte den Antragsgegner daher zumindest auf die Möglichkeit der kostenfreien Titulierung durch eine Jugendamtsurkunde hinweisen müssen.

Das Oberlandesgericht Hamm hob die Kostenentscheidung des Amtsgerichts auf.

Titulierungsinteresse auch im Falle der Unterhaltszahlung

Das Oberlandesgericht Hamm verwies auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, insbesondere  die sog. „Sockelbetragsentscheidung“  (BGH XII ZB 207/08).

Danach gilt zunächst, dass ein Unterhaltsgläubiger  auch dann ein Rechtsschutzinteresse an der vollständigen Titulierung seines Unterhaltsanspruchs hat, wenn der Unterhaltsschuldner den Unterhalt bislang (zumindest teilweise) regelmäßig, rechtzeitig und freiwillig gezahlt hat.

Außergerichtliche Aufforderung zur Erstellung eines Titels erforderlich?

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes  besteht aber nur dann eine Veranlassung für ein gerichtliches Unterhaltsverfahren, wenn der Unterhaltsschuldner entweder:

  1. nur einen Teilbetrag des Unterhalts (sog. Sockelbetrag) gezahlt hat oder
  2. zwar den gesamten Unterhaltsbetrag freiwillig und ordnungsgemäß gezahlt hat, jedoch trotz Aufforderung einen Unterhaltstitel zu erstellen, keinen solchen Titel vorlegt

 Kein Hinweis auf Jugendamtsurkunde erforderlich

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist es auch nicht notwendig, dass der Unterhaltsschuldner auf die Möglichkeit hingewiesen wird beim Jugendamt eine kostenlose Jugendamtsurkunde erstellen zu lassen. Das Oberlandegericht hob daher die Kostentscheidung des Amtsgerichts auf und verpflichtete den Antragsgegner zur Zahlung der Kosten.

Achtung: Bevor Sie jetzt übereilt eine Jugendamtsurkunde erstellen lassen, beachten Sie, dass diese Bindungswirkung für die Zukunft erzeugt. Es ist daher dringend zu empfehlen zuvor anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.

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